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Agatha Christie: „Bertrams Hotel“

(30. September 2010 – 02. Oktober 2010)

Christie BertramMan kann von einer Autorin nicht alles kennen. So ist nun einmal der Lauf der Dinge. So habe ich von diesem Roman aus der Feder Agatha Christies zuvor noch nie etwas gehört. Erstmals kam dieses Buch in Großbritannien 1965 heraus und zählt so zu den Spätwerken der Autorin. Dieses Mal geht es nach London. Miss Marple hat sich endlich einmal dazu überreden lassen, das Angebot ihrer Nichte und ihres Neffen Joan und Raymond West anzunehmen, die sich sicher waren, dass ihre Tante sich über ein wenig Urlaub vom Alltag freuen würde. Sie hatten Recht und Miss Marple nimmt dieses Angebot gerne an. Sie bekommt zwei Wochen Urlaub vom Alltag in St. Mary Mead. Sie wünscht sich, zwei Wochen im Bertrams Hotel in London zu verbringen, wo sie als Kind gemeinsam mit ihrem Onkel das eine oder andere Wochenende verbracht hat. Nun sind seit der Zeit Jahre in Land gegangen und so manches Hotel ist der Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges anheim gefallen. Einige wurden wieder aufgebaut und furchtbar modernisiert. Lediglich das Bertrams Hotel zeigt sich seinen Besuchern noch wie zu Zeiten von Queen Victoria. Die amerikanischen Touristen zahlen horrende Summen, um das Leben im Hotel wie zur guten alten Zeit zu erleben. Doch etwas scheint faul zu sein.

Miss Marple spürt so etwas natürlich. Allerdings ist ihr Spürsinn hier eher aufgrund ihrer Erfahrung von Bedeutung. Sie weiß, dass etwas nicht ganz richtig ist und sie spürt aus der Beobachtung heraus, dass hinter dem perfekten Stubenmädchen, dem idealen Butler, den Bilderbuch-Gästen, die in ihrer Summe das klassische Bild eines Hotels der späten Viktorianik widerspiegeln, mehr steckt als der Wunsch nach Nostalgie. Und dem ist auch so. Ins Rollen gerät die Geschichte, als ein zerstreuter Geistlicher mit einem Mal verschwindet. Niemand hat ihn gesehen, nur Miss Marple glaubt ihn in der Nacht auf der Treppe gesehen zu haben. Kann sie sich irren? Wohl kaum. Oder doch? Einige Zeit später taucht der Geistliche mit einer Gehirnerschütterung außerhalb Londons wieder auf. Man sagt, er hätte einen Autounfall gehabt und litte nun unter einer Gehirnerschütterung. Doch das ist nicht alles. Auch ein junges Mädchen, eine reiche Erbin, und die lebhafte Vorgeschichte ihrer Mutter spielen eine Rolle. Eines ist beim Lesen jedenfalls sicher: In Bertrams Hotel geht so einiges nicht mit rechten Dingen zu. Als es am Ende auch noch zu einem Toten kommt, ist es mehr als offensichtlich, dass etwas nicht koscher ist.

Die Geschichte ist recht kurzweilig, obwohl die Handlungsstränge erst gegen Ende des Buches zusammenlaufen und beim Lesen leicht der Eindruck entsteht, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Beide hätten getrost separate Erzählungen ergeben können, da die Verstrickung der Elemente lediglich durch zwei Personen erfolgt. Anfangs scheint es, als würde die Geschichte in der Rubrik Episodengeschichte laufen, Episoden und Einzelschicksale von Menschen, die sich in einem nostalgischen Hotel durch Zufall oder auch gewollt begegnen. Dass dem nicht so ist, wird zwar rasch klar, doch bleibt die Frage bestehen, warum Agatha Christie ungeklärte Raubüberfälle, einen verschwundenen und wieder aufgetauchten Geistlichen, eine schicksalshafte Mutter-Tochter-Beziehung, eine unschickliche Liebesbeziehung zwischen selbiger Tochter und dem Liebhaber der Mutter, sowie ein Hotel aus längst vergangener Zeit mit einander kombiniert. Wer Agatha Christie kennt – nun ja, vom Lesen natürlich – dem wird rasch klar, dass sie nichts ohne Grund tut. So achten man als Leser auf jede noch so kleine Kleinigkeit und rät in einer Tour mit. Dennoch ist auch hier die Auflösung des einen Falles sehr sehr … nun, man möchte fast sagen … unlogisch, da die Nachvollziehbarkeit fehlt.